Mitglieder
Lipinski, Karol Józef
30.10 oder 04.11. 1790 Raczyń, Galizien/Kaisertum Österreich (Radzyń Podlaski/Polen) – 16.12.1861 Urłów, Galizien/Kaisertum Österreich (Virliv/Ukraine)
Violinist, Dirigent, Komponist
Anstellungszeitraum in der Kapelle: 01.07.1839- Ende 1860 als Konzertmeister
Ausbildung
L. bekam ab dem siebenten Lebensjahr von seinem Vater Unterricht im Geigenspiel und in Fremdsprachen. Nach drei Jahren wechselte L. unter Anleitung des aus Wien stammenden Beamten Ferdinand Kremes (oder Krenes) zum Violoncello, das er wie die Geige sehr schnell zu beherrschen lernte. Später wechselte er wieder zur Geige und bildete sich als Autodidakt weiter. Er spielte auch in den von seinem Vater geleiteten Orchestern und Kammermusikensembles. Nach den ersten vier Jahren seiner beruflichen Tätigkeit widmete er sich erneut seiner Ausbildung im Privatstudium und reiste 1814 nach Wien, um Louis Spohr und 1817 nach Italien, um Niccolò Paganini zu hören. Ihm widmete L. sein Op. 10, 3 Capricci für Violine. 1818 lernte er in Triest den letzten lebenden Schüler Giuseppe Tartinis kennen, den 90jährigen dott. Mazzurana, der ihm den Geist der Kompositionen und die Spielweise Tartinis näherbrachte.
Berufliche Laufbahn
1810 wurde er aufgrund seines guten Rufes als Musiker als Konzertmeister an das Theater in Lemberg verpflichtet. Zwei Jahre später übernahm er dort die Stelle des Kapellmeisters. Beim Einstudieren zahlreicher Opern begleitete er, der nicht Klavier spielen konnte, die Proben auf der Geige, auf der er doppelstimmig spielte. Somit entwickelte er eine besondere Kunstfertigkeit im Doppelgriff-Spiel. Nach einer beruflichen Pause ab 1814, die er zur Weiterbildung nutzte, trat er 1818 in Italien bei zwei Konzerten mit Paganini auf, der ihn zu einer gemeinsamen Konzertreise einlud. L. wollte jedoch zurück in seine Heimat. Nach einiger Zeit in Lemberg unternahm er Konzerttourneen wie 1821 durch Deutschland und 1825 durch Russland. 1829 traf er in Warschau zufällig Paganini, der dort ebenfalls gastierte. Geschäftemacher inszenierten einen Konkurrenzkampf zwischen den beiden, der das Verhältnis trübte. 1835 führten L. Konzert-Engagements erneut durch Deutschland, Frankreich und England, ab 1836 auch durch Österreich und Russland. 1839 wurde er als Konzertmeister an die königlich sächsische Kapelle berufen. Er war nicht nur ein gefeierter Solist, sondern auch ein ebensolcher Quartettmusiker. Aufgrund einer Lähmung in der linken Hand 1858 wurde er 1860 pensioniert und zog sich auf sein bei Lemberg gelegenes Gut Urłów zurück. Seinen Plan, dort eine Musikschule für Waisenkinder zu errichten, konnte er nicht mehr verwirklichen.
Auszeichnungen
1838 Dekret zur Ernennung zum ersten Violinisten am russischen Hof, 1854 Ernennung zum Ritter des kgl. sächs. Albrechtsordens
Schüler
u.v..a. der erst dreizehnjährige Henryk Wieniawski
Werke
Symphonien, Capricci für Violine, „Militärkonzert“ und drei weitere Konzerte für Violine, Ouvertüren, Musik zur komischen Oper „Landadel oder Streit um den Wind“ und zum Drama „Die Belagerung von Smolensk“, Phantasien nach Opernmotiven von Rossini, Meyerbeer, Verdi u.a., Sammlung von 200 polnischen und ruthenischen Liedern (Lemberg 1833), Transkriptionen von Melodien von Chopin für Violine, Kommentare zu Haydns Streichquartetten und zu J.S. Bachs Sonaten für Klavier und Violine, u.v.a.
Familie
L.s Vater Feliks L.: 1765 Zaklizyn/ Galizien - 1847, Gutsverwalter für verschiedene Adelsherren, für die er auch Musikkapellen einrichtete und dirigierte. Er komponierte auch, ein Allegro de Concert erschien im Druck. L. hatte zwei Brüder Feliks und Antoni, letzterer wurde auch Geiger. L. war ab 1813 mit Regina Garbaczyńska (gest. 1856) verheiratet, hatte acht Kinder, von denen 1840 noch vier am Leben waren. Sein Sohn Gustaw wurde ein bekannter Rechtsanwalt und erfüllte den Wunsch seines Vaters, Stipendien für polnische Geiger auszusetzen. Seine Tochter Natalia wurde Pianistin.
Instrumente
Paganini vermachte ihm seine Andrea Amati (zugeschriebene) Geige, Signor Salvini soll ihm die Stradivari seines Lehrers Tartini geschenkt haben, ein Instrument aus dem Jahr 1715, das nach L. benannt wurde, zudem gehörte ihm eine Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1742, die ebenfalls seinen Namen trägt und heute von Daniel Hope gespielt wird.
Klang-Zitat
„...,und wir erwähnen hier Einzelne, die besonders hervortreten. Hrn. Concertmeisters Lipinski großer, schöner Ton, sein eigenthümliches Spiel ist bekannt und wir haben hier namentlich die Ruhe und Sicherheit hervorzuheben, vermöge welcher er sein Streichquartett im Orchester beherrscht, gleichsam als die Seele desselben sich erweisend.“ Beiblätter zu den Correspondenz-Nachrichten, Nr. 6, 8. Februar 1844, S. 22 https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/153319/2
Literatur
Lipniski, Karl Joseph, in: Constantin von Wurzbach, Biogr. Lexikon des Kaisertums Österreich, Bd. XV., S. 217-223 (mit Werkverzeichnis). ALO docView - 15 Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich (1866)
Lipinski, Karl Joseph, in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 726-730 [Online-Version];Deutsche Biographie - Lipinski, Karl Joseph
Zofia Chechlińska, Art. Lipiński, Karol Józef, Biographie in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 2004, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/400709
Cours-Blatt der Grazer Zeitung, Nr. 10, 14.01.1862 ANNO, Grazer Zeitung, 1862-01-14, Seite 6
Cours-Blatt der Grazer Zeitung, Nr. 12, 16.01.1862 ANNO, Grazer Zeitung, 1862-01-16, Seite 5
Aneta Derkowska, Karol Józef Lipiński: the ‘Polish Paganini’. Karol Lipiński | 5th International Karol Lipiński Violin Competition
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