Oral history
Kann man den „Dresdner Klang“ erlernen? Welche musikalischen Faktoren bestimmen den Klangcharakter? Was ist dran am „Mythos“ des Dresdner Streicherklangs und welchen Einfluss hat ein Dirigent auf Interpretation und Klangfarbe?
Auf der Suche nach Erkenntnissen, wie ein individueller Orchesterklangs entsteht und welche spiel- und musiziertechnischen Faktoren dazu zählen, haben wir Zeitzeug*innen gebeten, uns ihre persönlichen Eindrücke zu schildern.
In Bezug auf Aufführungssituationen und Spielpraxis geben die folgenden Videoausschnitte in der Kategorie Spielweise Aufschluss, in der Kategorie Filiation geht es u.a. um Ausbildung, die Weitergabe von Spieltechnik und Klangvorstellungen und schliesslich in der Kategorie Tradition um das mit diesem Begriff verbundene Verständnis.
Alle Berichte ermöglichen aber auch einen Einblick in den Musikeralltag vom Probespiel bis zur Aufführung. Darüber hinaus macht das Streben nach dem typischen Orchesterklang die Identifikation mit dem berühmten Klangkörper deutlich.
Andreas Lorenz: Das Timbre des Bläserklangs
Andreas Lorenz: Kammermusik und Orchesterklang
"Ich entdeckte die Dresdner Staatskapelle in jungen Jahren während meines Hornstudiums durch Peter Damm.
Durch meine Recherchen zu Damms Orchesteraufnahmen begann ich langsam, die ganz besondere und ausgefeilte Art und Weise, wie dieses Orchester spielt und zusammenspielt, zu entdecken und zu schätzen.
Was mir an diesem Ensemble immer aufgefallen ist, ist die große Liebe zum Detail, aber auch eine gemeinsame Art des Hörens, und zwar, dass jeder in allen Aspekten des Spiels die gleiche 'Aussprache' hat:
Geschwindigkeit des Klangs, Artikulation, Gleichgewichtssinn zwischen den Teilen, und alles nach dem Maß der jeweiligen Instrumentenfamilie.
Um es deutlicher auszudrücken, jede musikalische Linie, ob von Kontrabass, Tuba, Geigen oder Piccolo gespielt, hat die genaue Identität des Instruments, das sie ausführt, aber, wie ich eingangs sagte, mit einer gemeinsamen Idee...
Das ist eine sehr starke Identität!
Auch andere große Orchester haben es (wie das Concertgebouw in Amsterdam oder
das Gewandhaus in Leipzig), aber ich denke, was dieses Orchester so besonders macht, hat mir Maestro Damm erklärt.
Die kulturellen und musikalischen Einflüsse in Dresden waren böhmisch, italienisch, französisch, deutsch: Diese Stadt ist eine der Wiegen der westlichen Musikgeschichte!
Die Kapellmeister, die einander an der Spitze des Orchesters abgelöst haben, sind allesamt große Komponisten der Geschichte!
Und das macht sich vor allem im Umgang mit dem Klang bemerkbar: Es ist ein Klang, der für Verdi ebenso geeignet ist wie für Beethoven oder Ravel, er passt sich allen Komponisten an....es ist das einzige Orchester der Welt, das in der Lage ist, von Bach bis Webern schön zu spielen.
Bemerkenswert ist auch seine Fähigkeit, sich in der Tradition und im Generationswechsel der Musiker zu erneuern.
Mehr als einmal habe ich einen neuen Spieler bei einer Probe gehört und dachte 'mmmh, ich glaube nicht, dass sie es bestätigen werden' und dann haben sie es ausnahmslos nicht bestätigt!
Und was sie danach bestätigten, war immer "super"!"
Marco Panella