Spielstätten
Beschreibung ihrer Akustik in historischen Kritiken
Interimstheater - Nutzung 1869-1878
Nach der Brandkatastrophe der ersten Semperoper am 21. September 1869 erfolgte am 2. Oktober 1869 die Grundsteinlegung zum sogenannten Interimstheater: ein unter der Leitung eines Dresdner Zimmermanns gefertigter Bretterbau, der bereits am 2. Dezember des selben Jahres feierlich eröffnet wurde. Er bot Platz für 1800-2300 Zuschauer (mehr als in der ersten Semperoper) und für über 50 Musiker.
Die Ausstattung war schlicht und zweckmäßig gehalten: „...; von Stoffdecoration ist wegen der Akustik durchaus abgesehen, dagegen große Rücksicht auf gepolsterte Sitze genommen worden,...“ ANNO, Illustrirte Zeitung, 1869-11-13, Seite 13
In der Kritik mit diesem Provisorium zunächst relativ zufrieden: „Die Akustik selbst scheint, wie bei Bretterbänken überhaupt, eine recht gute zu sein. “ https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/242882/2/0/ „Die Akustik des Raumes ist ganz zufriedenstellend, nur das Streichorchester klingt etwas gedrückt, was sich aber hoffentlich noch heben lassen wird.“ ANNO, Neue Zeitschrift für Musik, 1869-12-24, Seite 8
Natürlich – nach einigen Besuchen waren dann doch mehr Mängel feststellbar: „Merkwürdig klingen die Musikinstrumente gedeckter als anzunehmen war. Die Stimmen jedoch überwiegen sehr an Quantität des Tones, während sie an Timbre verloren haben. (...) Vor allem basso grosso Scaria dominirte spielend den weithallenden Raum.“ ANNO, Musikalisches Wochenblatt, 1870-01-07, Seite 8
Zur Neueinstudierung der Meistersinger, die am 1. Juli 1870 Premiere hatte, liest man:
„Nur unklar kann der Hörer dem starken Orchester gegenüber die einzelnen Stimmen unterscheiden namentlich da, wo einmal fünf Chöre zusammen treten und jede Stimme gleichzeitig andere Töne, andere Motive, andere Worte hat.“ (...) „Man blicke doch nur einmal in unser Orchester, wo doch auch Künstler sitzen, die Verständniß von der Tonkunst haben. Vorgestern Abend bemerkten wir deutlich, daß Einige nach dem ersten Akt mit Ingrimm und völlig erschöpft, ihre Instrumente mit dem Worte „Pferdearbeit“, unwillig bei Seite legten.“ Digitale Sammlungen: Dresdner Nachrichten : 03.07.1870
Umbauten
Der erste Sommer des Interimstheaters wurde gleich zum Umbau genutzt: „Die im k. Hoftheater vorzunehmenden baulichen Veränderungen bestehen nicht, wie in Nr. 201 dieses Blattes irrthümlich mitgetheilt wurde, in Verlegung des dritten Ranges über den zweiten, vielmehr in Vorrückung des zweiten und dritten Ranges um mehrere Bänke. Der hierdurch im Hintergrunde entstehende Raum wird zu Anbringung von Corridoren und Garderoben verwendet. Die zu diesem Zwecke im Innern des Theaters anzubringende dritte Schalwand bat zugleich den Nutzen, das von außen eindringende Geräusch noch mehr abzuschwächen. Eine fernere Aenderung bezweckt eine etwas höhere Lage des Parquets, sowie die Abschließung der an beiden Bühnenseiten einspringenden, dem Vordringen des Schalles hinderlichen Ecken durch Einbauung einer Wand in schräger Richtung. Durch obige Aenderung wird zwar die Anzahl der Plätze in den Rängen nicht unbeträchtlich vermindert, im Interesse des Publikums aber die zu große Entfernung von der Bühne vermieden.“ Digitale Sammlungen: Dresdner Nachrichten : 31.07.1870
Nach acht langen Jahren, als die neue, prächtige Semperoper kurz von der Eröffnung stand, lesen wir in einer Kritik im November 1877 rückblickend auf das Interimstheater:
„Es waren traurige Jahre, welche Dresdens Kunstfreunde in dem hölzernen Interimcircusbau verlebt haben, in welchem bei Winterstürmen alle Fugen krachten, wo aber im Lenzesmond der Theeranstrich des Sparrenwerkes allenfalls auf Seemänner oder auf den Fliegenden Holländer angenehm wirkte, während die Nasen minder nervenstarker Binnenländer die Interimszeit nie vergessen werden.“ ANNO, Musikalisches Wochenblatt, 1877-11-09, Seite 3
Doch bereits mit einem Hauch von Nostalgie bemerkt ein Kritiker bei der Abschiedsvorstellung des Interimstheaters am 1. Februar 1872 mit Webers „Freischütz“: „...nicht ohne Wehmuth schieden wir von der alten Bretterbude, in der uns doch mancher wahre Kunstgenuß zu Theil wurde...“ ÖNB-ANNO - Signale für die musikalische Welt