1869 // was geschah wirklich am 18. Dezember im Saal des Hôtel de Saxe?

„Uebrigens wirkten diese Klänge so rauschend und mächtig, daß die Glasdecke des Saales aus ihrer Lage gerüttelt wurde und klirrend auf die Köpfe der Zuhörer fiel.“

Saal des Hôtel de Saxe - um 1920, Speisesaal Restaurant Löwenbräu: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Verlag A. und R. Adam

Dieser Satz steht lapidar in einer Rezension des letzten Abonnementkonzerts der Generaldirektion der königlich sächsischen musikalischen Kapelle und dem Leser bleiben viele Fragen: Wie war denn das möglich? Gab es Verletzte oder gar Tote? Auf dem Programm standen die Ouvertüre zu Spontinis „Vestalin“, Mendelssohns A-Dur-Symphonie, die Sinfonia concertante von Mozart, eine Arie aus Peter von Winters „Unterbrochenem Opferfest“ und ein Terzett aus „Sargines“ von Ferdinando Paer. Ist es physikalisch möglich, dass eines dieser Werke eine Klangwirkung besitzt, die ein Glasdach zum Einsturz bringen kann?

Genauer erklärt wird der Vorfall im Bericht von Thomas Drobisch in den Dresdner Nachrichten: Kommen nun noch Unfälle hinzu, wie am Sonnabend, wo mitten im Terzett durch Unvorsichtigkeit von Arbeitern oben in der Decke eine starke Glasscheibe durchbrochen wird und solche in die Damenwelt klirrend hineinstürzt, daß eine Störung von wenigstens zehn Minuten entstand, so ist dieß um so bedauerlicher.

Und weshalb überhaupt waren Arbeiter am Glasdach? Dazu geben uns die Dresdner Nachrichten des Vortages Auskunft: Am gestrigen Tage hatte sich ein Sturm erhoben, der hier und da von Unglücksfällen gleitet war.

Ein metallener Essendeckel stürzte von einem Dach, ein nicht befestigter Fensterflügel fiel auf den Gehsteig und verletzte einen Mann, beim Verladen von „Budentheilen“ wurde ein elfjähriger Knabe lebensgefährlich getroffen. Die konzertbesuchende Damenwelt im Hôtel de Saxe hatte aber Glück: Es gab keine Verletzten. Doch der Vorfall sollte, so Thomas Drobisch, einmal mehr beweisen, wie ungeeignet der Saal für Musikaufführungen war: „Derselbe ist für solche Aufführungen in keiner Beziehung ausreichend. Ihm fehlt nicht nur eine, größeren Instrumentalmassen günstige, das Tonmaterial veredelnde Akustik, sondern auch jene Räumlichkeit, welche eine umfassende Betheiligung des Publikums möglich macht."

Bis die Kapelle aber in einem solchen Saal spielen konnte, fegten noch viele Stürme über Dresden hinweg...

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