Zur Dresdner Erstaufführung Von Richard Wagner's "Tristan und Isolde" am 21.05.1884
"Am Vorabend des Geburtstages Richard Wagner's, am 21. Mai, gelangte...seine unvergängliche Meisterschöpfung, die Liebestragödie: "Tristan und Isolde" am königlichen Hoftheater zum ersten Male zur Aufführung. Unter den Reproduktionen, welche dieses Drama außerhalb Münchens erfahren hat, nimmt die Dresdner Aufführung schon dadurch eine hervorragende Stellung ein, weil bei ihr das ganze Werk, so wie es der Meister geschrieben, ohne jeden Strich, und ohne irgend welche Transposition gegeben wurde...Nach...muß die Wiedergabe des symphonischen Theiles durch die Künstler des Orchesters...als eine hervorragende Meisterleistung bezeichnet werden. Unter der Führung des Hofkapellmeisters Schuch...wurden die so complizirten polyphonen Gebilde mit musterhafter Präzision und Klarheit ausgeführt. Die Fülle des Wohlklangs, welche dem Orchesterkörper entströmte, übte oft eine geradezu berauschende Wirkung aus. Es ist kaum möglich, die Soli der Holzbläser mit vollendeter Tonschönheit auszuführen; durch Ausgeglichenheit und durch wundervolle Idealität der Tongebung zeichnete sich das Hornquartett aus; prachtvoll wirkten die stets wie mit einem Schlage erfolgenden Einsätze der Trompeten und Posaunen mit ihrer, auch im Forte und Fortissimo stets edel bleibenden Klangfarbe.
Auf gleicher Höhe stand die von den Künstlern des Streicherchores gebotene Leistung, welche durch Adel des Tones, Reichthum der dynamischen Abstufungen, verständnisvolle Phrasirung und lebendig beseelten Ausdruck sich auszeichnete...
Der...nicht enden wollende Jubel des die Räume des Theaters überfüllenden Publikums bezeugte die tiefe Erregung, von der alle Gemüther ergriffen waren. Soviel ist gewiß: die AUfführung des "Tristan" war eine That, die für das musikalische Leben Dresdens eine große Bedeutung gewinnen kann."
Peregrinus